Der Coca Cola Konzern entnimmt Grundwasser um es als ViO Mineralwasser im großen Stil zu verkaufen. Dieser Artikel wirft einen genaueren Blick darauf. Der Kampf ums Wasser ist in Deutschland bereits in vielen Region entfacht, so auch wenn es um die Herstellung von Mineralwasser geht. Mineralwasser habe zwar durchaus seine Daseinsberechtigung, aber nur in wenigen Ausnahmefällen, für die Säuglingsnahrung beispielsweise. Nicht aber als Massenware: Die CO2-Belastung, die durch die Produktion und Abfüllung von Mineralwasser entsteht, ist etwa 580-mal so groß wie die von Leitungswasser bei gleicher Qualität hier. Das heißt, jeder und jede, die einen Beitrag leisten möchte zur CO2-Minimierung, sollte auch als erste Maßnahme, die auch noch sehr viel Geld spart, Mineralwasser meiden und Leitungswasser trinken. Bei Coca Cola reagiert man mit kommunaler Projektförderung und umfassender Abwasseraufbereitung an den Produktionsstandorten.
Lüneburger Bürger kämpfen gegen dritten Coca Cola-Brunnen an
In der norddeutschen Stadt Lüneburg – südlich von Hamburg – macht man sich Sorgen um das Grundwasser. Coca Cola entnimmt dort für die Herstellung von Mineralwasser raue Mengen. DER SPIEGEL berichtet über die Sorgen der Bevölkerung, da Coca Cola einen dritten Brunnen geplant hat, um noch mehr Grundwasser aus der Region zu entnehmen.
Wem gehört das Wasser – ein Konflikt in Lüneburg
Coca Cola will dort mehr Grundwasser aus dem Heideboden pumpen, eine Bürgerinitiative wehrt sich dagegen. Daten des Bundesumweltamtes zeigen, dass im Gegensatz zum vorigen Jahrhundert die Grundwasserstände in Deutschland vielerorts beträchtlich gesunken sind. Dieser Umstand ist Grund für die Besorgnis vieler einheimischer Menschen, sodass Seitens der Industrie und Wirtschaft sorgsamer mit der Wasserressource umgegangen werden muss. Eine zusätzliche Entnahme von Grundwasser zur Produktion von ViO Mineralwasser stößt hier auf Unverständnis. Schon alleine die Testbohrungen haben das natürliche Gleichgewicht der Region empfindlich beeinträchtigt. Der Konzern bezieht sich in seiner schriftlichen Stellungnahme auf rein wirtschaftliche und soziale Aspekte, wie die Rettung des Betriebes und Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen: „Seit 2007 füllen wir am Standort in Lüneburg das natürliche Mineralwasser Vio ab – es war der Rettungsanker für den Betrieb, der im Zuge der Einwegpfandeinführung und nachfolgend starker Verunsicherung im Handel kurz vor dem Aus stand.“
Klimadaten im Grundwasser Bewirtschaftungserlass von Niedersachsen sind nicht aktuell
Die formale Entscheidung, wie viel Wasser Coca Cola entnehmen darf, wird im Grundwasser Bewirtschaftungserlass des Landes Niedersachsen definiert. Die dort zu Grunde liegenden Klimadaten (1960 – 1990) sind aber leider bereits seit dem Jahr 1990 nicht mehr aktuell, sprich mehr als 20 Jahre überfällig. Normalerweise wäre das kein Problem, wenn nicht speziell in den letzten Jahren so extreme Dürreperioden die Bedingungen für das Grundwasser in Deutschland extrem verändert hätten.
Besorgniserregende Daten des Dürremonitors
Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ liefert täglich Informationen zum Bodenfeuchtezustand in Deutschland. Grundlage sind Simulationen mit dem am UFZ entwickeltem mesoskaligem hydrologischen Modell mHM. Aus diesen Daten geht hervor, dass es in den Jahren 2018 und 2019 großflächig in Europa nur so wenig Wasser gab, wie schon in den letzten 250 Jahren nicht mehr. Nun sollen diese aktuellen Daten in einem neuen Grundwasser Bewirtschaftungserlass für Niedersachsen zur Anwendung kommen. Dies dauert allerdings eine Zeit lang, angeblich bis Ende 2022. Kritik daran findet man, dass ausgerechnet von Coca Cola beauftragte Gutachter die Daten für den neuen Erlass auswerten sollen.
Grundwasser-Kosten für Coca Cola im Vergleich zu den Kosten für Privatpersonen
Ein Liter Grundwasser kostet dem Getränkehersteller 0,018 Cent (umgerechnet € 0,00018). Im Supermarkt wird dieses Wasser für einen 1.000-fachen Preis an den Endverbraucher verkauft. Anders formuliert, kostet ein Kubikmeter Wasser (1.000 Liter) dem Getränkehersteller € 0,18 ( 18,- Cent), im Gegensatz zu Privatpersonen, die für das gleiche Wasser aus der Leitung € 2,73 pro Kubikmeter bezahlen (Quelle).
Helmholtz-Klima-Initiative - Dürre in Deutschland
Nach den beiden sehr trockenen Jahren 2018 und 2019 gab es zu Beginn des Jahres 2020 schon wieder sehr wenig Niederschlag. Der Dürremonitor am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UFZ) misst die Feuchte im Boden und weiß damit genau über dessen Zustand Bescheid. Wie das funktioniert und was mit diesem Wissen möglich ist, erklärt der Klimaexperte Andreas Marx im Gespräch mit dem Wissenschaftsjournalisten Klaus Russell-Wells:
Coca Cola füllt jährlich 3,5 Milliarden Liter an 14 Standorten ab ...
… und das alleine in Deutschland. Und es ist noch nicht genug, daher will der Getränke-Gigant noch mehr Wassernutzungsrechte, um noch mehr Wasser abzufüllen. Das Beunruhigende an dieser Entwicklung ist, dass eigentlich niemand wirklich weiß, wieviel Wasser wirklich für welchen Bereich effektiv zur Verfügung steht. Ein weiterer Bericht des SWR beleuchtet die Thematik aus einer umweltbewussten und möglichst fundierten Sicht:
Sinkende Grundwasser-Pegel sorgen für Gebäudeschäden
Ob es einen Zusammenhang zwischen Gebäudeschäden (Risse in den Wänden) und den sinkenden Grundwasser-Pegelständen gibt, wird in Lüneburg und auch in Hannover bereits untersucht. Dort ist man der Meinung, dass das sinkende Grundwasser massive Risse im Mauerwerk diverser Gebäude verursacht:
Der Streit um das Wasser erreicht die Politik
Für die Politik (Stadtrat von Lüneburg) scheint der wirtschaftliche Aspekt rund um das wertvolle Grundwasser anteilsmäßig (13 Stimmen gegen Coca Cola / 20 Stimmen für Coca Cola) wichtiger zu sein. Daher konnte Coca Cola weitermachen. Der Oberbürgermeister von Lüneburg – Ulrich Mädge, sowie die Mehrheit des Stadtrates, bezieht sich auf ein Gutachten, welches eine bedenkenlose erweiterte Wasserentnahme von Coca Cola für die nächsten Generationen sicherstellt. Ist das aber auch wirklich so?
Verlässliche Wasserbilanzen
Im bayrischen Umweltministerium ist der Hydrologe Klaus Arzet für den Schutz des Wassers zuständig. Seit Jahren beobachtet er bereits eine beunruhigende Entwicklung. Seine Meinung dazu: „Wasser ist absolut ein gefährdetes Gut und zwar nicht nur auf Bayern bezogen, sondern in ganz Deutschland.“
Auf die Frage der Wasserstand-Entwicklung in Bayern lässt sich auch ein Rückgang des Grundwassers beobachten. Hier sind Wasserwirtschaftsämter regional für die Überwachung des Grundwassers zuständig. Die Überprüfung einer kritischen Messstelle zeigt auf, wie es dort um das Grundwasser bestellt ist. Mit einem Lot wird regelmäßig der aktuelle Grundwasserstand gemessen. Eine Kontrolllampe leuchtet auf, wenn das Lot das Grundwasser erreicht hat. Die Messdaten an jener Stelle zeigten auf, dass es hier um ca. 1,5 Meter weniger Grundwasser als im Jahr zuvor gegeben hat. Seit Beginn der Messungen im Jahr 2012 ist das Grundwasser hier um ganze 13 Meter gesunken. Solche Beobachtungen werden auch an anderen Messstellen in Bayern gemacht.
Aber was passiert, wenn Grundwasserstände so dramatisch sinken?
Eine Möglichkeit besteht darin mehr Grundwasser zu erreichen, in dem man tiefere Brunnen gräbt. Dies ist aber sehr kostenintensiv und behandelt nicht das ursächliche Problem. Die Folge: bestehende Brunnen und Quellen werden stillgelegt, anstelle diese durch weitere Grabungen zu retten. Daher müssen immer mehr bayrische Gemeinden auf sogenanntes „Fernwasser“ umstellen.
Wasserknappheit als Folge des Klimawandels
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber sieht die Sache nicht ganz so entspannt, wie Lüneburg’s Stadtrat in Bezug auf Coca Cola. „Es ist so, dass Wasser überall aktuell noch zur Verfügung steht,“ so der Umweltminister, die Betonung liegt dabei auf „noch“:
„Wenn wir in 30 Jahren Wassermangel verspüren, haben wir die Chance, es zu managen, zu bewältigen, verspielt.“ ist sich Thorsten Glauber sicher. Wenn sich nun aber die Wasserverfügbarkeit weiterhin so dramatisch verschlechtert, was bedeutet das für das Genehmigungsverfahren in Lüneburg und speziell für Coca Cola? Wie es aussieht, reagiert die Stadtverwaltung von Lüneburg und Coca Cola selbst kaum auf diese Besorgnis. Wirtschaftliche Interessen stehen hier im Vordergrund. Erklärungen von Coca Cola, dass es zu keinen Wassernot-Problemen kommen wird, werden mit Blick aufs Detail von Experten skeptisch gesehen, da die offizielle Basis der Argumentation aus den Jahren 1961 – 1990 (siehe Grundwasser Bewirtschaftungserlass von Niedersachsen) stammt und mit der aktuellen Wassersituation nicht konform ist.
Es steht außer Frage, dass die Grundwasserneubildung in Deutschland in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat und somit die alten Genehmigungsverfahren für die Wasservergabe komplett neu zu bewerten ist, speziell wenn es sich um die Wasserentnahme im großen Stil handelt.
Längst veraltete Klimadaten als Basis für eine Wasserentnahmegenehmigung, die für Jahrzehnte gültig sein wird
Die Kritik: Aktuelle Trends rund um das Grundwasser in Deutschland werden nicht berücksichtigt. Coca Cola geht auf diese Kritik nicht weiter ein und der Druck auf Lüneburg Landrat Jens Böther steigt. Neben der Lüneburger Bürgerinitiative werden nun auch Umweltverbände zunehmend aktiv. Die Stellungnahme von Jens Böther bezieht zumindest eine Einschränkung der Wasserentnahme für gewerbliche Nutzung mit ein, wenn dies erforderlich zu sein scheint. Eine mehr als unzureichende Antwort auf die grundsätzliche Problematik.
Im Gegensatz zur offenkundig blauäugigen Meinung der Lüneburger Stadtverwaltung, sieht man das auch in Kanada etwas anders. Nasa-Daten zeigen, dass Deutschland bereits ein massives Wasserproblem hat und jährlich die Wassermenge des Bodensees verliert. Als dies bekannt wird, lenkt plötzlich Coca Cola ein und verzichtet zunächst einmal auf den dritten Brunnen in Lüneburg. Wahrscheinlich ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen …